2. Techniktag Ulm

Die Fantastischen Vier und die Energiekrise

 2. Techniktag Ulm
Im Brauer-Internat der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule fand vom 26.–27. Januar 2023 der zweite Techniktag Ulm statt. Organisator Ralph Barnstein, Geschäftsführer des DBMB sowie in Personalunion 1. Vorsitzender der Landesgruppe Württemberg, konnte etwa 90 Teilnehmer im Tagungsraum des Brauer-Internats begrüßen.

Die hohe Beteiligung mache deutlich, dass nach der Corona-Zeit und angesichts der Herausforderungen, vor denen die Brauwirtschaft stehe, das Bedürfnis nach gegenseitigem Erfahrungsaustausch und technischer Beratung sehr groß sei, so Barnstein. In diesem Sinne waren die Teilnehmer am richtigen Platz, denn auf sie warteten zwei mit Vorträgen und Fachdiskussionen prall gefüllte Seminartage.

Rohstoffe im Wandel

Thorsten Jauch, Vorsitzender der Landesgruppe Baden im DBMB, hatte beim Abendessen in der Schulkantine das Bonmot von den „Fantastischen Vier“ Rohstoffen des Biers geprägt, mit denen sich die Fachvorträge des ersten Seminartags beschäftigten.

Thomas Schumacher, DurstMalz, rief die Brauer dazu auf, stärkeres Profil in der Braugerstengemeinschaft zu zeigen. Die Braugerste steht in Deutschland nämlich nicht nur seitens des Klimas unter Druck: Seit 1990 sank die Anbaufläche stetig, heute kann der Bedarf an Braugerste in Deutschland nur etwa zu 50 Prozent aus eigenem Anbau gedeckt werden. Hier sei noch viel zu tun, um den Flächenrückgang zu bekämpfen. Dabei könnte die vor etwa zehn Jahren eingeführte Herbstaussaat von Sommer-Braugerste helfen. Die Vorteile? Unter anderem kann die Sommer-Braugerste bei der Herbstaussaat die Winterfeuchte nutzen, in der folgenden Vegetationsperiode erfolgt die Kornfüllung deutlich früher, was Schäden durch die immer häufiger werdenden Hitze- und Trockenperioden im Sommer reduziert. Speziell die Sorte Leandra zeigt in Versuchen seit 2013 gute Eignung bei guten bis sehr guten Malzqualitäten.

Die Ernte 2022 hat beim Hopfen die Notwendigkeit der Entwicklung trocken- und hitzeresistenter Sorten drastisch vor Augen geführt. Mit der Einführung neuer Zuchtsorten seit über zwanzig Jahren reagierte auch der Hopfenpflanzerverband Tettnang frühzeitig auf den Klimawandel, wie Geschäftsführer Jürgen Weishaupt erklärte. Das Motto des Verbands: „Wir können alles, von hochfein bis hochalpha“. Mit der Installation von Hagelnetzen, klimaneutralen Erntezentren und der Etablierung von SAI-Standards bei den Betrieben stellt sich Tettnang weiter auf die kommenden Herausforderungen ein.

Frederik Amrhein, Institut Romeis, lenkte beim Thema Wasser den Fokus auf ein neues Merkblatt des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Zum Schutz des Tiefengrundwassers sieht das Merkblatt einen streng auszulegenden Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung vor. Neuerschließung von Grundwasser wird mit äußerst strengen Auflagen verbunden sein. Die Hausaufgabe: Betriebe mit eigenem Brunnen (bestehende Wasserrechte bleiben bestehen) sollten zunächst Inhalte der Verträge und Laufzeiten überprüfen und außerdem einen Notfallplan erarbeiten, z.B. abklären, ob überhaupt eine Möglichkeit zur Anbindung an die öffentliche Wasserversorgung besteht.

Prof. Thomas Kurz, ProteinDistillery, stellte einen Ansatz zur Nutzung von Brauereihefe zur Herstellung von Proteinen vor. Die aus der Hefe extrahierten Proteine kommen in ihren technologischen Eigenschaften zu annähernd 100 Prozent an die von Eiklar heran. Ein echter Game-Changer für die Lebensmittelindustrie, so Prof. Kurz. Die Inbetriebnahme der ersten großtechnischen Anlage ist für das erste Quartal 2024 geplant.

Produzieren im Energiekrieg

Der zweite Tag des Techniktags Ulm beschäftigte sich mit den Herausforderungen, denen sich die Brauwirtschaft angesichts der Energiekrise gegenübersieht. Einen „Blick in den Abgrund“, wie er es bezeichnete, wagte Thomas Scheffold, Private Brauereien Bayern. Immerhin gebe es aber noch Lichtblicke. Die Strompreisbremse sei z. B. für alle Betriebe grundsätzlich interessant, insbesondere für jene, die bereits einen Teil ihrer Grundlast über Photovoltaik abdecken können. Doch für alle Betriebe sei es spätestens jetzt an der Zeit, an der Energieeffizienz zu arbeiten. Erste grundlegende Schritte sind, Zahlenmaterial zu erarbeiten und Zählerstände zu beobachten. Auch wenn gerade keine größeren Investitionen geplant seien, lohne sich der genaue, kritische Blick auf die Betriebsabläufe immer.

Ein modular umsetzbares Energiekonzept stellte Uwe Janssen, BrauKon, vor. Ein System aus Warm- bzw. Heißwasserspeichern und Hochtemperatur-Wärmepumpe, gespeist mit Strom aus regenerativen Energiequellen, ermöglicht einen öl- und gasfreien Brauereibetrieb. Technische Knackpunkte sind dabei einerseits die komplexe Regelung des Systems und die Hochtemperatur-Wärmepumpe in gegenüber anderen Industriezweigen vergleichsweise geringer Leistung. Bei der Größe der Energiespeicher gab Janssen etwa das dreifache Volumen des Sudhauses an. Bei der Dauer für die Amortisation sei – ohne Förderung – mit etwa drei bis fünf Jahren zu rechnen.

Michael Peter, Tensid-Chemie, betrachtete Möglichkeiten von Energieeinsparungen aus Sicht eines Reinigungsmittel-Lieferanten. Der zu steuernde Parameter bei der Reinigung in der Flaschenwaschmaschine ist die Temperatur der Lauge. Vom biologischen Gesichtspunkt aus ist es theoretisch möglich, die Temperatur bis auf 72 °C abzusenken, wobei sich mit absinkender Temperatur dann die Entfernung des Etiketts als größte Herausforderung erweist. Nach Erhebung des Ist-Zustands via Datenlogger sollte eine stufenweise und kontrollierte Absenkung der Laugentemperatur erfolgen. Bei Absenkung von 80 °C auf 78 °C Laugentemperatur seien bis zu 20 Prozent Einsparung an thermischer Energie möglich, so Peter.

 

Der Techniktag Ulm fiel nach der Premiere im Jahr 2019 wegen Corona 2021 aus. Künftig soll die Veranstaltung aber alle zwei Jahre statt.

Dr. Christian Dekant
Redakteur / Editor
Fachverlag Hans Carl GmbH

Eindrücke

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