LG Mecklenburg-Vorpommern Studienfahrt

Gib mal ˊne Buddel (R)rum!

Die Förde ruft! Endlich ist es nach drei Jahren und zwei Absagen unserer bereits geplanten Studienreisen wieder so weit. Nach den Zustiegen in Rostock und Wismar nimmt unser Reisebus am letzten Septembertag mit dreißig Insassen Kurs Richtung Schleswig zur Flensburger Brauerei. Die deutsch-dänische Grenzregion blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Grenzverschiebungen mal nach Norden, mal nach Süden hat es in der Historie einige gegeben. Dass hier auch Dänen ihre Heimat haben, wird uns schon am Flensburger Ortseingangsschild mit deutsch-dänischer Zweisprachigkeit in Erinnerung gerufen. Der Dannebrog gehört zum Alltag. Dänemarks Nationalflagge mit dem weißen Skandinavier-Kreuz auf rotem Grund ist nicht nur an vielen Segelyachten sichtbar.

Wir werden nach der Ankunft in der Munketoft (dänisch für „Mönchsfeld“) vom Team um Produktionsleiter Enes Erisgen herzlich und kollegial in Empfang genommen. Plop! Ein unkompliziertes Einlaufbier (Segler wissen, was gemeint ist) direkt aus der Buddel lässt leichte Verspannungen nach stundenlanger Sitzhaltung im Nu vergessen machen. Es gibt durchaus Genussanlässe um Bier direkt aus der Flasche zu trinken. Diese Begrüßung hier gehört definitiv dazu. Und welche Flasche, wenn nicht die Steinie mit Bügelverschluss, wäre dazu besser geeignet? Der Bügel ist in der Genetik der Flensburger Brauerei fest verankert. Von der ersten befüllten Flasche nach Gründung der Brauerei 1888 bis in die Gegenwart wird die „Beugelbuddel“ in Flensburg durchgehend und ohne Unterbrechung eingesetzt. Einzigartig. Einzigartig auch die Pionierarbeit, welche die Flensburger bei der Weiterentwicklung dieser traditionsreichen Verschließtechnik geleistet haben. Die heutigen Dichtsysteme haben mit den porösen roten Kautschukscheiben und den gasdurchlässigen Porzellanköpfen von früher nichts mehr zu tun. Alles für die Produktqualität! Und das schmeckt man.

So eingestimmt können wir jetzt dem Rundgang mit Enes neugierig entgegensehen. Wir begegnen der zeitgleichen Präsenz von Technik und Architektur aus ganz unterschiedlichen Zeitabschnitten. Typisch für erfolgreiche und organisch gewachsene Traditionsbetriebe. So zeigt sich beispielsweise Kupfer neben Edelstahl und enge Kellertreppen münden in geflieste Weitläufigkeit. In der Unterwelt begegnet uns das Wasserhaus der „Gletscherquelle“ – zwei artesische Brunnen, welche Wasser aus 240 Meter Tiefe an die Oberfläche treten lassen. Der Ursprung reicht bis in die letzte Eiszeit zurück und begründet die Namensgebung der Quelle. Sie stellt die komplette Versorgung der Brauerei mit Brau- und Prozesswasser sicher. Bei einer naturgegebenen Ursprünglichkeit in Mineralwasserqualität liegt es nahe, dieses Lebenselixier auch direkt als Produkt abzufüllen. Mit Kohlensäure versetzt sind dann auch die Weißglasflaschen des Flensburger Wassers mit dem typischen Akustiksignal der Flaschenöffnung ausgestattet: Plop!

Ohne Plop kommen wir in der „Abteilung Rot“, dem rot gefliesten Lagerkeller, in den Genuss einer Rarität: dem gezwickelten unfiltrierten Flens. Aufgrund der Anwesenheit des „Hopfenmagneten“ Hefe und der naturgemäß noch etwas höheren Stammwürze hat dieses Bier gegenüber dem Pilsener in der abgefüllten Bügelflasche noch eine Schippe mehr Hopfenherbe im Gepäck. Die üblichen nordischen 38 Bittereinheiten des Flaschen-Pilseners werden hier deutlich schmeckbar übertroffen und kommen trotzdem erstaunlich angenehm und harmonisch eingebunden daher. Direkt vom Tank auf die Flasche gefüllt wäre so etwas eine Art Experten-Edition für Liebhaber und Hopfenfreunde. Allerdings brauchen unsere Kollegen in dieser Beziehung keine externen Ratschläge, da sie ohnehin eine über die Zeit beeindruckende Sortimentsvielfalt kreiert haben. Biermischgetränke und Alkoholfrei sind auch hier Wachstumssegmente, wobei die COVID-induzierten Marktverwerfungen und die daraus resultierende Forcierung des heimischen Bierkonsums für die Flensburger positive Auswirkungen hatten. Sechs-Tage-Wochen in der Produktion waren im Vorjahr eher die Regel als die Ausnahme.

Die abschließende gesellige und kollegiale Runde inklusive üppigen Imbisses gibt uns nochmal die Gelegenheit, alle Vertreter des 14-köpfigen Sortiments sensorisch unter die Lupe zu nehmen. Wobei der diesjährige Winterbock erkennbar häufig nachgeordert wird.

Unser Brauer-Dank gilt den Flensburger Kollegen, welche uns auf überaus offene Art und einem Schuss des aus der Flens-Werbung bekannten Humors die Besonderheiten ihrer Brauerei nahegebracht haben!

Auf geht´s ins Hotel und anschließend in die Flensburger Altstadt zum Abendessen. Eine Vorab-Reservierung für unsere große Gruppe war leider nicht möglich. Personalmangel. Ein inzwischen allseits bekanntes branchenübergreifendes Phänomen. Nicht nur in Hansens Brauerei, bei der auf gut Glück dann doch noch ein Teil der Gruppe ein Plätzchen gefunden hat.

Der nächste Morgen begrüßt uns norddeutsch nass. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken, zumal unser heutiges Programm überdacht im Trockenen stattfindet: im Flensburger Rum-Museum. Das Museum ist Teil des Schifffahrtsmuseums, da beide Themen eng miteinander verzahnt sind. Ohne Seefahrt kein Rum – das ist jedem von uns geläufig. Neu hingegen ist für uns die dänische Kolonialgeschichte. Ohne Sklaverei kein Rum! Durch den „Dreieckshandel“ waren dänische Kaufleute an der Ausbeutung beteiligt. Damals war tatsächlich etwas faul im Staate Dänemark!

Drei Inseln der kleinen Antillen - Saint ThomasSaint John und Saint Croix – bildeten Dänisch-Westindien von 1666 bis 1917. Dann wurden die Inseln verkauft und gehören heute als Außengebiet der USA zu den Amerikanischen Jungferninseln.

Flensburg war als bedeutende dänische Hafenstadt in diesen Handel stark involviert und begründete zu dieser Zeit seine Rum-Tradition mit dem Ausbau der Übersee-Destillate in Holzfässern und anschließendem Blending. Nach 1864 erfanden die Flensburger der Rum-Verschnitt, da aufgrund der jetzigen Zugehörigkeit zu Preußen hohe Einfuhrzölle für Rum fällig wurden. Die Traditionshäuser aus dieser Zeit leben in der heute noch bestehenden Markenvielfalt weiter. Boddel, Dethleffsen, Sonnberg, Johannsen, Balle, Hansen, Pott, Asmussen. Alles klangvolle Namen mit Flensburger Provenienz. Damit sind wir wieder in der Gegenwart angelangt und unsere Studienfahrt neigt sich dem Ende. Schnell noch ein hochprozentiges Souvenir aus dem Museumsshop, dann geht´s zurück in unseren Bus. Dieser bringt uns staufrei und gut gelaunt Richtung Heimat, die uns mit einem aufgeklarten Himmel in Empfang nimmt.

 

Autor: Frank Lucas

Eindrücke

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