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15. September 2024 Ralph Barnstein Niedersachsen
Studienreise nach Sachsen-Anhalt und Thüringen
Die Landesgruppe führte 13. bis 15. September 2024 nach längerer Zeit wieder eine Fachexkursion durch, welche uns Einblicke in verwandte Branchen gab. Das erste Ziel war das Örtchen Prosigk in Sachsen-Anhalt, eine kleine Gemeinde zwischen Köthen und Zörbig. Hier befindet sich der Hopfenanbau Regner GbR, der nördlichste Betrieb im Gebiet „Elbe-Saale“ und zugleich der größte Hopfenanbaubetrieb Ostdeutschlands mit insgesamt 130 Hektar Anbaufläche und einer Erntemenge von bis zu 300 Tonnen Rohhopfen/Jahr.
Bei der sehr informativen Führung durch Seniorchef Alfred Regner konnte nicht nur die gerade laufende Produktion besichtigt werden, welche erst wenige Tage zuvor begonnen hatte. Auch wurde die Entwicklung des Hopfenanbaus in Sachsen-Anhalt historisch beleuchtet: Im Jahr 1945 bringen böhmische Umsiedler aus der Tschechoslowakei den Hopfen mit in den Region und mit Gründung der Deutsche Demokratische Republik im Jahr 1949 waren die ostdeutschen Brauereien plötzlich von ihren traditionellen Hopfen-Lieferanten in Bayern abgeschnitten Der „sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern“ benötigte dringend eigenen Hopfen, um Devisen zu sparen und so startete auf Beschluss der DDR-Regierung der Hopfenanbau – auch Familie Regner war damals dabei.
Die Wende änderte die Rahmenbedingungen schlagartig und aus dem volkseigenen Betrieb wurde im Jahr 1991 ein Familienunternehmen mit 42 Hektar Anbaufläche, die zuerst von der Treuhand gepachtet wurde. Im Vergleich zur Hallertau sind die Schläge hier sehr groß und man installierte bereits 1999 in allen Hopfengärten eine Bewässerung, da die Region geografisch bedingt sehr niederschlagsarm ist. Im Frühjahr werden rund 500 Kilometer Tropfenberegnung verlegt, welche die Pflanzen bei trockenem Wetter mit bis zu fünf Litern Wasser innerhalb von drei Stunden versorgt.
Jeder Ballen Hopfen, welcher während der vier Wochen dauernden Erntezeit
abgepackt wird, geht zur Weiterverarbeitung und Vermarktung an die BarthHaas-Gruppe. Aktuell werden die Aromasorten Northern Brewer und Perle angebaut und als Bitterhopfen die Sorten Magnum, Polaris und neuerdings Titan, diese hauptsächlich für die Extraktion. Interessanterweise wurden in den letzten Jahren alle Aromasorten für „Craftbier“ wieder gerodet, da die Nachfrage zu gering war.
Hier kommen die PET-Flaschenrohlinge her
Der nächste Tag führte zur MEG nach Braunsbedra, Ortsteil Roßbach, der Kunststoffstandort der Schwarz Produktion. Hier empfing uns der Werksleiter zu einem sehr informativen Vortrag mit anschließender Besichtigung der Produktion. Dieses Werk stellt für die gesamte MEG-Gruppe jährlich rund 3,5 Milliarden Preforms aus rPET und Drehverschlüsse aus HDP her und versorgt alle fünf deutschen Werke.
In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem auch die Frage beantwortet, welche Auswirkung die seit Juli 2024 gültige EU-Vorgabe hat, welche vorschreibt, dass der Deckel nicht mehr von der Flasche losgelöst werden darf. Dieser tethered cap (= angebundene Deckel), verhindert, dass der Schraubschluss in der Umwelt landen – ein Thema, welches in Deutschland vom Konsumenten bislang nicht als Problem wahrgenommen wird, im Gegensatz zu anderen Ländern der Europäischen Union. Auch kann Schwarz-Gruppe durch ein eigenes Rücknahme-System für Einwegflaschen den Kreislauf vom Konsumenten zurück zur Produktion schließen. Dies zeigt sich auch in der technisch möglichen 100%igen Verwendung von Rezyklat für PET-Flaschen, welches an anderen Standorten ebenfalls selbst erzeugt wird. Zeil der Schwarz-Gruppe ist, die Diskussion über die eigene PET-Flasche in der Öffentlichkeit zu versachlichen und will beweisen, dass diese Einwegflaschen in der Umweltbilanz nicht schlechter als Mehrweg-Glasflaschen abschneiden.
Danach konnte die weitläufige Produktion besichtigt werden, wo vor allem die führerlosen Hubwagen in der Produktion beindruckten, welche sich auch automatisch zur Ladestation bewegen, um ihre Batterie zu laden. Im Außengelände fiel den Besuchern die große Siloanlage auf, welche das Kunststoff-Granulat beinhaltet und deutlich werden ließ, welche Tonnagen hier täglich an- und wieder abgefahren wurden. Interessant war auch die adiabatische Kühlung für das Kühlwassers der Spritzguss-Maschinen. Die topographische Lage der Anlage am höchsten Punkt des Werksgeländes steigert deren Effizienz: Die Volumenzunahme im Kühlmittel durch Verringerung des Luftdrucks auf Grund der Lage der Anlage spart Energie. Auch wird der Standort bald ein 180 Meter hohes Windrad erhalten, um einen Teil der benötigten elektrischen Energie selbst zu erzeugen.
,,Das Schwarze mit der blonden Seele''
Am Nachmittag stand dann der Besuch einer Brauerei auf dem Programm. Im Besucherzentrum der Köstritzer Schwarzbierbrauerei wartete eine Verkostung aller Biere im “Dreiseitenhof" auf die Reisegruppe sowie die Besichtigung des Betriebs. Zum Beginn des Rundgangs wurde das historische Sudhaus aus dem Jahr 1925 mit Original-Läuterbottich, Läutergrand und Würzepfanne gezeigt, welches im Jahr 2017 detailgetreu restauriert und danach der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht wurde. Als im Jahr 1979 die Produktion in einen Neubau auf demselben Gelände umzog, wurde alle Fenster und Türen zum alten Sudhaus kurzerhand zugemauert und dadurch für die Nachwelt erhalten. Dies sollte sich fast 40 Jahre später als Glücksfall erweisen, da die wesentlichen Bauteile des Sudwerks noch im Original vorhanden waren! Beim Rundgang besichtigten wir das aktuelle Sudhaus und konnten dort im Besuchergang die lange Geschichte der Brauerei nachvollziehen: Die Ursprünge des Betriebes gehen auf die Grafen Reuß zurück, welche die ritterschaftliche Gutsbrauerei ausbauten und fortan als gräfliche Hofbrauerei betrieben. Durch die Erhebung der Familie in den Fürstenstand führte die Schwarzbierbrauerei später den Namen Fürstliche Brauerei zu Köstritz.
Direkt nach der Wende übernimmt dann die Bitburger Brauerei Th. Simon GmbH die Köstritzer Schwarzbierbrauerei und baut diese innerhalb weniger Jahre zu einer modernen Braustätten aus, welche heute noch am alten Standort mitten im Ortskern von Bad Köstritz erfolgreich produziert. Nach diesem Ausflug ins Bundesland Thüringen ging es wieder zurück ins Hotel in Merseburg in Sachsen-Anhalt und der Abend wurde für lange Gespräche beim Bier genutzt.
#TeamStößchen
Als Abschluss der Fachexkursion stand am Sonntag die Besichtigung der Produktion von Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH und der neuen Rotkäppchen Erlebniswelt in Freyburg (Unstrut) an. Auch hier zeigte sich: Der Einsatz von Hefe zur alkoholischen Gärung ist vielseitig, auch aus Trauben lassen sich interessante Getränke herstellen! Der Betriebsrundgang startete in den beeindruckende Gärhalle, in der 288 Tanks mit einem Fassungsvermögen von 160.000 Liter bei Betriebsdruck von maximal 10 bar (!) stehen und den Stillwein durch eine zweite Gärung karbonisieren und veredeln. Anschließend konnten wir die Abfüllung am Standort besichtigen. Hier wird der Sekt auf zwei Linien in die bekannten Flaschen mit roter Kapsel abgefüllt, daher der Name „Rotkäppchen“. Übrigens ist die ikonische rote Kapsel bereits seit 1894 der Namensgeber für diesen Sekt und Rotkäppchen ist damit eine der ersten eingetragenen deutschen Marken, welche auch heute existieren.
Danach ging es in die Rotkäppchen Erlebniswelt, untergebracht in den historischen Hallen und Kellern. Neben Informationen zur Historie, gegründet wurde das Unternehmen 1856 als Weinhandlung „Foerster und Kloss“, werden auch die weiteren Meilensteine des Unternehmens anschaulich dargestellt. Ein weiteres Schaustück ist das im Jahr 1896 aus 25 Eichen gefertigte „Cuvée-Fass“ mit einem Fassungsvermögen von 120.000 Litern, welches aufwändig mit Schnitzereien im Stil der Zeit verziertet wurde und bis 1935 einmal jährlich zum Herstellen der Sektcuvée diente. Heute zählt es zu einem der Highlights in der Rotkäppchen Erlebniswelt.
Eine Steuer aus dem Kaiserreich hat sich bis in die Gegenwart gehalten: Ab 1909
wird Sekt als „Genussmittel“ eingestuft und zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte besteuert. Diese Staffelsteuer zeigt jedoch sofort negative Auswirkung: Je höher der Verkaufspreis einer Flasche ist, desto höher die Steuer. Als Konsequenz daraus verloren die teuren Sektsorten ihren Absatzmarkt und Rotkäppchen änderte sein Angebot und stellte kurzerhand die Produktion hochwertiger Sektsorten in Freyburg ein! Aber auch einige Jahrzehnte später stellte die Wiedervereinung den Betrieb vor eine schwere Entscheidung: In einer mutigen Initiative schließen sich der die langjährigen Mitarbeiter zusammen, um das Unternehmen im Jahr 1992 von der Treuhand zu übernehmen. Überzeugt vom Produkt und mit dem nötigen Weitblick nehmen sie die Privatisierung von Rotkäppchen in die Hand und sichern damit Fortbestand des Unternehmens. Der danach einsetzende Aufschwung zeigt sich deutlich im Absatz: Verkauft man im Jahr 1991 noch 2,9 Millionen Flaschen, war es 1992 bereits 5,7 Millionen Flaschen und heute sind es rund 100 Millionen Flaschen im Jahr!
Ingo Schaller
veröffentlicht 12.11.2024
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